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8. Februar 2008 Jan Brill

Flugsicherung: Mode-S Implementierung bei der Flugsicherung


Die andere Seite von Mode-S: Wie weit ist die Flugsicherung mit der Implementierung?

Die Schweiz hat Mode-S für VFR auf 2010 verschoben, Belgien gar auf das Jahr 2011. Nur Deutschland und die Niederlande bleiben hart. Bei uns wird Mode-S ab März diesen Jahres für alle Luftfahrzeuge im transponderpflichtigen Luftraum zur Pflicht. Die DFS denkt sogar darüber nach herkömmliche Mode A/C-Transponder im transponderpflichtigen Luftraum ganz zu verbieten. Für die Februarausgabe von Pilot und Flugzeug recherchierten wir den Stand der Implementierung bei der Flugsicherung. Wir stellten die Frage welchen Nutzen die europäischen ATC-Organisationen aus der enormen Investition der Halter bislang ziehen.

© Eurocontrol 
Squawkst du noch oder fliegst du schon? Für die Halter von IFR-Maschinen liegt die verpflichtende Mode-S-Einrüstung nun ein knappes Jahr zurück. Für die restlichen Flugzeughalter ist es am 15. März 2008 soweit. Wer dann mit einem Flugzeug in Deutschland im transponderpflichtigen Luftraum herumfliegt, der muss unabhängig von den Flugregeln Mode-S funken. Diese erhebliche Nachrüstung ist für die Halter von Flugzeugen der Echo-Klasse mit Kosten zwischen 5.000 und 15.000 Euro verbunden. Man sollte davon ausgehen, dass diese enorme und behördlich erzwungene Investition der Flugzeughalter nun auf der Flugsicherungsseite mit erheblichem und sichtbaren Nutzen verbunden ist. Da sich die DFS zu diesem Thema beharrlich ausschweigt, besuchte Pilot und Flugzeug das Eurocontrol Upper Area Control Center (UAC) in Maastricht und schaute sich vor Ort um, ob und wie Mode-S den Arbeitsalltag der Lotsen berührt.

Das Maastricht UAC liegt an der Schnittstelle des mitteleuropäischen Luftraums. Mitarbeiter aus insgesamt 27 Ländern bedienen hier den Flugverkehr über FL245 im Gebiet von Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und einem Teil von Westdeutschland. Das Maastricht UAC ist nach der „Verstaatlichung“ des Karlsruher UACs Mitte der 1980er Jahre das letzte Beispiel der großen Idee einer gemeinsamen europäischen Flugverkehrskontrolle im oberen Luftraum.
Und tatsächlich wird die europäische Idee hier aktiv gehegt und gepflegt. Im Gegensatz zu den nationalen Flugsicherungen, die sich über ihre Existenzberechtigung bislang wenig Gedanken zu machen brauchten, steht das Maastrichter UAC wohl als einzige Flugsicherungsorganisation Europas in einer Art von echtem Wettbewerb und muss seine Existenzberechtigung durch Leistung und nicht nur durch pures Beharren verteidigen.

Einen ausgeprägten Service-Charakter erleben nicht nur die Piloten, die mit Maastricht UAC im täglichen Kontakt stehen, auch die europäische „ATM Cost-Effectiveness Benchmarking Reports“ (eine Art von Jahreszeugnis für die europäischen Flugsicherungen) weisen das Maastrichter UAC kontinuierlich als eine im Vergleich sehr produktive und kostengünstige Flugsicherungsorganisation aus.

Stolz verweist man auf nur 18 Sekunden Delay pro Flug in 2006 sowie auf andere Kennzahlen im Air Traffic Management Geschäft, die Maastricht als effektive und kundenorientierte Organisation ausweisen. Maastricht bildet seine Losten in einer eigenen Akademie selber aus – 20 Ab-Initio-Lotsenschüler waren 2007 in der Ausbildung, man ist händeringend auf der Suche nach weiteren Interessenten.

Technologisch stellt Maastricht die Spitze der europäischen Entwicklung dar: Lang ist die Liste der Arbeitsplatz-Tools und Projekte, über die man hier zur Produktivitätssteigerung verfügt und auf die beispielsweise die Kollegen der DFS verzichten müssen. Sicherlich ist man hier an der Spitze der Nutzungsmöglichkeiten von Mode-S.


Oben (über FL245) Maastricht UAC, unten Belgie-Control oder DFS. Noch gibt die DFS die Enhanced-Surveillance-Daten nicht an Euro­control weiter und sichtbare Anwendungen von Mode-S sind rar. Die Mode A/C Code-Correctness, also die Qualität der Radarer­fas­sung, ist jedoch von 96% auf 99,9% angestiegen.
© Eurocontrol 
Mode-S-OPS-Koordinator Volker Stuhlsatz, selbst gelernter Lotse und aktiver IFR-Pilot, hat sich den Tag Zeit genommen, das Thema für Pilot und Flugzeug aus Sicht der Flugsicherung darzustellen. Nach einem Vorgespräch verlieren wir nicht viel Zeit und nähern uns gleich der Praxis. Doppelte Personenschleuse (wie im Film) und wir stehen im neuen Kontrollraum des Maastricht UAC.
Ich kenne solche Computer- und Bildschirmansammlungen sonst nur aus den Handelsräumen großer Banken. Hier aber geht es vollkommen ruhig zu. Etwa die Hälfte der Lotsenarbeitsplätze ist besetzt. Kein lautes Wort ist zu hören. Eine Art Kommandobrücke am Kopf des Kontrollraums stellt die Schnittstelle zu CFMU dar, hier wird bestimmt und kontrolliert, wie viel Verkehr die einzelnen Sektoren des Maastrichter UAC pro Stunde abarbeiten können. Graphen und Kennlinien zeigen, wann ein Sektor überlastet wäre, das Ganze läuft real-time, professionell, cool.

Immer zwei Lotsen arbeiten an einem Sektor. Der ausführende Lotse (Executive Controller) ist der, der tatsächlich mit den Flugzeugbesatzungen spricht. Sein Kollege, der Planungslotse, sitzt neben ihm an einer eigenen Arbeitskonsole mit der exakt gespiegelten Verkehrsdarstellung des Sektors und übernimmt die Aufgaben wie Koordinierung, Planung und ggf. auch eine Gegenkontrolle. Wir gesellen uns an einer dritten Konsole zu den beiden Lotsen, die den Sektor Münster bedienen. Jetzt ist Showtime – jetzt werden wir Mode-S im Alltag der Lotsen erleben:


Elementary Surveillance

Mit einem Klick auf die Bildschirmdarstellung aktiviert Stuhlsatz die Darstellung der Mode-S-Daten. Zu jedem Radarziel, das bislang mit Flugnummer (oder Kennzeichen), A/C-Squawk und Höhe dargestellt wurde, wird jetzt eine weitere Datenzeile angezeigt. Es handelt sich nochmals um die Flugnummer, nur jetzt als ausgelesene Flight-ID des Mode-S-Transponders.

Sofort sieht man, dass bei einer KLM, die von links nach rechts über den Bildschirm wandert, die Mode-S-Flight-ID nicht mit der eigentlichen Flugnummer zusammenpasst: „Das ist ein typisches Problem“, erklärt Volker Stuhlsatz: „Sechs bis sieben Prozent der Flüge sind mit einer falschen Flight-ID unterwegs. Solange die Daten noch so schlecht sind, können wir die Flight-ID offiziell nicht für die Identifizierung von Flügen verwenden.“ Tatsächlich sehe ich auf keinem der Arbeitsplätze im Umkreis die Mode-S-Funktionalität aktiviert.

„Einen sichtbaren Nutzen bringt uns Mode-S aber schon jetzt“, erklärt Stuhlsatz, „und zwar im Bereich der Situational Awareness des Lotsen.“
Um das zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen. Eine der wichtigsten Funktionen, die das Rechnersystem einer Flugsicherungsorganisation dem Lotsen zur Verfügung stellt, ist die sogenannte Korrelation. Anhand einer Tabelle werden dem Squawk-Code eines Flugzeugs die Flugnummer sowie alle anderen Flugplandaten zugeordnet. Ohne diese Korrelationstabelle weiß der Fluglotse sehr wenig über den Traffic auf seinem Schirm. Diese Zuordnung geschieht weitgehend automatisch und sie muss stimmen, sonst steigt die Arbeitsbelastung des Lotsen erheblich an.

Die Rechnersysteme, der Automatisierungsgrad und die Datenqualität dieser Korrelationstabelle variieren aber zwischen den europäischen Flugsicherungen so stark, dass ein Abgleich oder Austausch dieser Tabellen kaum möglich ist. Eine Flugsicherung hat immer nur die Maschinen in der Korrelationstabelle, die erwartet werden oder die vom Flight-Data-Manager manuell angelegt wurden. Soll heißen: Maastricht hat keinen Zugriff auf die Korrelationstabelle der im Luftraum unterhalb angesiedelten nationalen belgischen ATC. Flugzeuge, die knapp unterhalb des Maastrichter Sektors z.B. in FL230 oder 240 fliegen, erscheinen auf dem Bildschirm des Lotsen nur mit dem vierstelligen A/C-Squawk. Der Lotse hatte bisher keine Möglichkeit, zu erkennen, z.B. um welche Flugnummer es sich hier handelt. Wenn dann der Pilot den an sich banalen Level-Change von 240 nach 260 anfragt, ohne dass dies im Flugplan vorgesehen ist, beginnt der Planungslotse des oberen Sektors zunächst einmal mit der Beschaffung der Daten des Flugs.

Mode-S schafft hier ein wenig Abhilfe. Da die Flight-ID übertragen und angezeigt wird, kann der Lotse frühzeitig erkennen, um was es sich bei einem Verkehr unter- oder oberhalb seines Sektors handelt (vorausgesetzt, die Flight-ID stimmt!). Dies wird von den Lotsen einhellig begrüßt.
Außerdem wird durch Elementary Mode-S die Möglichkeit der automatischen Falsch-Korrelation der Flugplandaten erheblich reduziert. Die siebenstellige alphanumerische Mode-S Flight ID ist gegenüber den bisherigen vierstelligen numerischen SSR Codes (4096 Squawks) ein großer Fortschritt. Diese Vorteile ließen sich direkt nutzen, sobald die Qualität der Elementary-Parameter (= Richtigkeit der Flight-ID) akzeptable Werte jenseits der 99% erreicht. Darüber hinaus hilft die 25-Fuß-Auflösung (wo sie flugzeugseitig implementiert ist) den unterschiedlichen Zusammenstoßwarnsystemen an Bord und am Boden bei der exakten Berechnung von Annäherungen – dies wird zum Teil jetzt schon genutzt.


Enhanced Surveillance: Im Reich des Konjunktivs

Nicht ganz so gut sieht es mit der Enhanced Surveillance aus. Flugzeuge über 5,7 Tonnen oder über 250 Knoten müssen neben den Grunddaten der Elementary Surveillance bekanntlich weitere Parameter übertragen. Diese Parameter, die ursprünglich von Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Alleingang festgelegt wurden, sind:
  • Magnetic Heading
  • Air Speed (Indicated Airspeed und Mach Number)
  • Selected Altitude
  • Vertical Rate
  • Track Angle Rate
  • Roll Angle
  • Ground Speed
  • True Track Angle

Zumindest einige dieser Parameter wären durchaus von Nutzen. Würde das Kollisionswarnsystem beispielsweise die Selected Altitude kennen, dann würde nicht alle Nase lang der Bildschirm mit einer unzutreffenden Annäherungswarnung aufblinken, weil das System nicht weiß, auf welchen Level ein steigendes oder sinkendes Flugzeug restricted ist (in England geschieht dies bereits bei London Approach).
Mit den Downlink-Parametern wie Heading und Speed ließe sich insbesondere auf den hochbelasteten Frequenzen wertvolle Zeit sparen, da sehr viel weniger nachgefragt werden müsste. Flugprofile ließen sich stärker automatisiert vom Boden aus überwachen und Probleme könnten früher erkannt werden. Parameter wie Track-, Roll- und True Track Angle würden zudem die Radarzieldarstellung, Grundlage für sichere Staffelung, verbessern.


Europäische Zusammenarbeit: DFS gibt Enhanced-Daten nicht an die Kollegen in Maastricht weiter!

Leider bleibt’s vorerst beim Konjunktiv. „Wir bekommen die Enhanced-Daten im Moment leider nicht von der DFS“, sagt Stuhlsatz mit einigem Bedauern. „Angeblich ist die Netzwerkkapazität des RADNET hierfür nicht ausreichend.“
Soll heißen: Jene Parameter, die mit richtig viel Aufwand im Cockpit gesammelt und via Mode-S abgestrahlt werden, landen im Datenmülleimer der DFS und werden im deutschen Luftraum nicht an die Eurocontrol weitergegeben. Sein Line-Manager, Roel Huurdeman, wirft ein, dass es sich bei Mode-S um einen „Phased Approach“ handele, dass man jetzt also bereits Downlink-Parameter vorschreibe, die vielleicht erst in einer nächsten Phase genutzt werden können. „Wir müssen erst die Zuverlässigkeit der Elementary-Daten sicherstellen, bevor wir die Enhanced-Daten in Angriff nehmen können“, erklärt Huurdeman.
„Wir befürchten sowieso, dass die Qualität der Enhanced-Daten noch schlechter sein könnte als die Güte der eingegebenen Mode-S Flight-IDs“, ergänzt OPS-Koordinator Stuhlsatz. Eurocontrol wird also Ende Februar die Enhanced-Daten auf den Lotsenarbeitsplätzen des Maastrichter UAC freischalten – aber zunächst nur zur Information im Bereich der Niederlande und Belgiens, die Perspektive einer flächendeckenden Nutzung über Deutschland besteht erst ab 2009.


Die Sache mit den Transpondercodes

Zeit, mit dem nächsten Gerücht aufzuräumen: Mode-S wird nicht zu einer Entlastung der Squawk-Codes führen! In den umfangreichen PowerPoint-Präsentationen, mit denen Mode-S einst den Nutzern schmackhaft gemacht (oder auch aufgezwungen) wurde, war immer die Rede davon, dass Mode-S die Situation bei den knappen A/C-Transpondercodes (Transit-Codes) merklich entschärfen würde. Schließlich könnten im Mode-S-Gebiet ja alle Flugzeuge schlicht 1000 squawken und so fröhlich mit der Flight-ID durch die Gegend kurven. Funktionieren wird das allerdings nicht, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang. Denn das Mode-S-Implementierungsgebiet ist keineswegs mit dem Gebiet der ICAO-Transit-Codes identisch und umfasst nur einen kleinen Teil der ICAO SSR Code Area EUR-B, in der wir fliegen.


Was passiert eigentlich auf der anderen Seite, wenn im Cockpit nach Mode-S gesquawkt wird? Welchen praktischen Nutzen zieht die Flugsicherung aus der pro Flugzeug zwischen 5.000 und 15.000 Euro teuren Umrüstung? Diese Frage wollten wir beantworten und flogen deshalb zum Eurocontrol UAC nach Maastricht.
Auch hier zunächst ein paar Hintergründe: Flüge, die über das lokale Gebiet einer Flugsicherungsorganisation hinausgehen, bekommen nämlich einen Squawk-Code aus dem Pool der sogenannten Transit-Codes. Das sind Codes, die tatsächlich in dem ganzen Gebiet nur einmal vergeben sind. Und diese Codes sind tatsächlich knapp. Nicht, weil bei uns so viel geflogen wird, sondern weil die Koordination der Transit-Codes zwischen den Flugsicherungen so mies ist und nicht in Echtzeit erfolgt. Hier sollte Mode-S Abhilfe schaffen.

Tut es aber nicht! Denn die Mode-S-Abdeckung hört im Osten an der deutschen Grenze und im Westen hinter Paris auf. Das Gebiet der Transit-Codes (EUR-B) ist aber deutlich größer. Und wenn ein Flug von Barcelona nach Warschau unterwegs ist, braucht er folglich ohnehin einen Transit-Code, für den Bereich nämlich, in dem er außerhalb des Mode-S-Implementierungsgebiets unterwegs ist. Die Fluglotsen innerhalb des Mode-S-Gebiets werden aber sicher nicht aus Technikbegeisterung die Crew bei Einflug auf den Code 1000 schicken, um dann beim Ausflug wieder den alten Code zuzuweisen. Zusätzliche Squawk-Changes sind das Letzte, was man auf den viel belasteten Frequenzen benötigt. Selbst Flüge innerhalb des Mode-S-Gebiets können nicht mit 1000er Code und Flight-ID durch die Gegend fliegen, denn:
  • lange nicht alle IFR-Flugplätze sind auch voll von Mode-S fähigen Radarstationen erfasst,
  • bei 6 bis 7 Prozent fehlerhafter Flight-ID, ist an eine Korrelation mit Hilfe der Mode-S-Parameter nicht zu denken und
  • außerdem können die meisten dieser Flüge ohnehin mit lokalen anstatt mit Transit-Codes bedient werden, welche sowieso nicht knapp sind.

Es ist auch kaum zu erwarten, dass sich an der Abdeckungs-Situation bald etwas ändert. Denn im Low-Density-Airspace jenseits der deutschen Ostgrenze wird man sicher als Letztes die teure Radar-Mode-S-Infrastruktur weiter ausbauen. Die Flugsicherungen dort wollen das in der Infrastruktur wesentlich günstigere ADS-B – und zwar lieber heute als morgen. Mode-S wird es in Polen oder der Ukraine folglich nicht geben und in Spanien oder Skandinavien vermutlich auch nicht.


Bislang kaum Anwendungen

Unser kleiner Ausflug in die Praxis zeigt: Ein Jahr nach Einführung für IFR-Flüge spielt Mode-S in der Praxis der Fluglotsen noch so gut wie keine Rolle.
Huurdeman spricht von einem typischen Chicken-Egg-Problem. Die Flugsicherungen kämpfen zurzeit noch mit der Qualität der Elementary Surveillance, also der Flight-ID. Wie diese von bisher gut 6% Fehlerhaftigkeit (3,5% falsche Eingaben, 2,7% technische Gründe) auf die für die Sicherheitsanalysen mindestens notwendigen 99% gebracht werden sollen, vermochte uns niemand zu sagen. Enhanced-Surveillance-Daten stehen gar nicht zur Verfügung und werden auch absehbar nicht in ausreichender Qualität verfügbar sein, um darauf aufzubauen. Man träumt von „Trajectory Negotiation“ über Inflight-Datalink und andere Schritte hin zu weitergehender Automatisierung des Lotsenarbeitsplatzes. Um diese Potenziale der Technik realisieren zu können, müssen auf Seiten der Flugsicherung jedoch noch zahlreiche Probleme gelöst werden.


Mit starren Listen, wie dieser hier, wurden bislang im Rahmen des Originating Region Code Assignment Method (ORCAM) Verfahrens die Transpondercodes vergeben. Dass dies keine optimale Bewirtschaftung der verfügbaren Codes ergibt, versteht sich von selbst. Mode-S hat hier allerdings keine Entlastung geschaffen, da das Implementierungsgebiet sehr viel kleiner ist als die Region für Transit-SSR-Codes. Erst ein weiteres Eurocontrol-Programm „Centralised SSR Code Assignment and Management System (CCAMS)“ wird hier Abhilfe schaffen.
© SSR CODE ALLOCATION LIST FOR THE EUR REGION 
Eine Entlastung der knappen Transit-Codes findet wegen der unterschiedlichen Implementierungsgebiete ebenfalls nicht statt. Bislang ist noch kein Flugzeug mit einem 1000er Code und Mode-S-korreliert durch den Luftraum geflogen. Hier scheint man sich in Europa nun endlich zu einer zentralen Vergabestelle für Transpondercodes aufzuraffen. Das Centralised SSR Code Assignment and Management System (CCAMS) soll Anfang 2009 seinen Dienst aufnehmen und hat mit Mode-S nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Schließlich: Die mit erheblichem Kostenaufwand im Cockpit erhobenen und übermittelten Daten der Enhanced Surveillance werden von der DFS gar nicht an Eurocontrol übermittelt und stehen auch den Lotsen der DFS nach Informationen von Pilot und Flugzeug nicht für die tägliche Arbeit zur Verfügung.


Verbesserung der Radarerfassung

Die gute Nachricht: Die Einführung von Mode-S hat zu einer merklichen Verbesserung der Radarerfassung (Code-Correctness) geführt. Durch die zielgerichtete Abfrage des S-Modes wurde das sogenannte Garbling im 1090 MHz Band reduziert. Die Code-Correctness stieg von 96 auf 99,9%, das wurde uns mehrfach bestätigt.

Pilot und Flugzeug versuchte nun, diese Daten ins Verhältnis zu setzen. Wir stießen dabei auf eine FAA-Untersuchung aus dem Jahre 1992 über die Radarerfassung im Großraum Chicago (Report No. FAA/CT-TN92/22). Es scheint als habe man auch hier – lange vor Mode-S – schon eine Code-Correctness von weit über 99% erreicht. Systemhersteller Raytheon bestätigte uns diese Zahlen auf Anfrage. Während Mode-S in Europa also zweifellos zu einer Verbesserung geführt hat, sei die Frage erlaubt, ob nicht eine technisch optimierte (statt national ausgerichtete) Radar-Infrastruktur auch ohne teure Flugzeug-Nachrüstung zum Erfolg hätte führen können. Angesichts von bis zu 30 „konkurrierenden“ Radarstationen, die z.B. im Raum Brüssel auf einen Transponder einhämmern, plus der TCAS-Abfragen anderer Flugzeuge erscheint die flächendeckende Mode-S-Einrüstung nicht der einzige Ansatzpunkt für eine Verbesserung der Radarerfassung zu sein.


Mode-S in Deutschland: „geht ... geht nicht, geht ... geht nicht“

Wie halbherzig die Umsetzung selbst auf Seiten der DFS ist, erkennt man schon daran, dass bislang nach Informationen von Pilot und Flugzeug lediglich 13 der 26 von der DFS betriebenen Radaranlagen Mode-S-fähig sind. Das reicht nach Aussage der DFS für eine ausreichende Abdeckung des transponderpflichtigen Luftraums mit mindestens zwei Mode-S-fähigen Stationen an jedem Punkt. Aber eben auch nur dafür.

Im nicht transponderpflichtigen Luftraum, also meist unterhalb von 5.000 ft, brachte dieses kleine Detail so manchen Eigentümer eines neuen Mode-S-Transponders zur Verzweiflung. Wer mit einem Testflug herausfinden wollte, ob der neue und teure Mode-S-Transponder auch wirklich die richtige 24-Bit-Aircraft-Address sowie die korrekte Flight-ID absetzte, der erlebte nicht selten Erstaunliches: „Geht ... geht nicht, geht ... geht nicht, geht ... geht nicht“, kam es vom Lotsen oder dem FIS-Mitarbeiter zurück. Geräte wurden mit „Wackelkontakt“ diagnostiziert, eingeschickt, geprüft, repariert, ausprobiert, wieder eingeschickt etc.
Der Grund: Das Radarbild, das Lotse oder FIS-Mitarbeiter vor sich sehen, setzt sich aus den Daten mehrerer Radarstationen zusammen. Der Lotse kann dabei nicht erkennen, ob es sich um die Mode-S-fähigen Stationen handelt oder nicht. Folge: Mal sieht er die Mode-S-Daten, mal nicht ...

Vor diesem Hintergrund nun die Umsetzung von Mode-S auch für den VFR-Verkehr durchzuprügeln, ist schwer nachvollziehbar.


Fazit

In der Praxis der Fluglotsen finden die Mode-S-Daten bis auf wenige Ausnahmen so gut wie keine Anwendung. Enhanced-Surveillance-Daten, die beispielsweise die DFS sammelt, werden nicht ausgetauscht und nicht genutzt. Aufgrund unterschiedlicher Implementierungsgebiete findet eine Entlastung der Transit-Transpondercodes ebenfalls nicht statt. Potenzial bietet die Technik durchaus und das in einem „Phased-Approach“ nicht alles auf einmal kommt, ist ebenfalls klar.
Pilot und Flugzeug wird also weiter dran bleiben und nachfragen, welchen Nutzen die europäische Flugsicherung aus der enormen Investition der Flugzeughalter zieht.


  
 
 




10. Februar 2008: Von Dr. Tobias Meckel an Jan Brill
Sehr geehrter Herr Brill,

Ihr Artikel zeigt einmal mehr, wie deutlich sich Pilot und Flugzeug von der restlichen Luftfahrt-"Presse" in deutscher Sprache abhebt: Ein sehr komplexes Thema gründlich und verständlich aufbereitet! Herzlichen Dank

Habe selber letztes Jahr knappe 10k für die Umrüstung unserer beiden Transponder (C210) ausgegeben. Wenn ich lese, dass meine kostbaren Daten von unserer DFS nicht einmal WEITERGEGEBEN werden, während man zeitgleich die Umrüstung auch für die VFRler durchpeitscht, kommt mir mit Verlaub die *** hoch.

happy landings,
T. Meckel
13. Februar 2008: Von V Stuhlsatz an Dr. Tobias Meckel
Sehr geehrter Dr. Meckel

Die Transponder der C210 sind wahrscheinlich Elementary Mode-S, diese Daten werden verarbeitet, nur die Weitergabe der sog. Enhanced Mode-S Downlink Parameters ist zur Zeit (bei der DFS) noch nicht möglich.

Bedauerlich ist die uneinheitliche Mode-S Einführung für VFR:

• Belgien: 1.1.2011,
• Schweiz: 2010,
• Frankreich: teilweise 2009/2010,
• England März 2009 mit 3 Jahren Übergang bis März 2012,

• Nur NL/Deutschland: 31.03.2008 ?!

Mit freundlichen Grüßen,
V. Stuhlsatz

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