Hallo Stephan,
ersteinmal herzlich willkommen hier im Forum. Ich bin sicher, dass Deine Frage kontrovers beantwortet werden wird ;-) Es gab vor ein paar Wochen schonmal einen ähnlichen Fred, in dem es um das morgendliche Fliegen zum Arbeitsplatz (und abends zurück) ging. Habe diesen aber nicht weiter verfolgt.
Ich fliege IFR eine SR22T und erlaube mir folgenden Kommentar:
Das Wetter ist und bleibt IFR auch mit diesem Flugezug ein Thema. Das mitteleuropäische Wetter beeindruckt insbesondere im Sommer mit ausgeprägten Fronten, die ein Fliegen eisfrei/gewitterfrei on top erst ab FL200 und höher möglich machen. Manchmal geht IFR darunter, nur entspannt ist anders. Das Fehlen eines onboard-Wetterradars ist die andere Sache, die Fliegen auf Termin selbst mit dieser Maschine und IFR nicht 100%ig verlässlich machen. Die Strecke Spanien - England/Deutschland ist ja nun auch kein Katzensprung mit dem Flieger. Sind Deine Termine verschiebbar, ergibt sich ggf. eine andere Sachlage.
Du solltest auch bedenken, dass ein mehrstündiger IFR-Flug, ggf. in IMC, durchaus anstrengend ist und Du nicht zwangsläufig entspannt Deine Arbeit beginnen kannst. Für den Rückflug gilt: Bist Du noch fit für einen mehrstündigen IFR-Flug durch Europa? Bei fiesem IFR-Wetter?
Von der W&B-Seite kann man vollgetankt zwei Erwachsene mit Gepäck legal machen. Volltanken wirst Du müssen, wenn Du nicht zwischenlanden willst. Mit einer MAX PAX von 2 wird aber auch Deine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung beeinflusst. Ich fliege (exkl. Abschreibung) für etwa 230 Euro nass die Stunde (100 Std/Jahr). Man kommt dafür in FL100 182 KTAS weit. Bei Deinen angenommen fünf Stunden pro Strecke liegen wir also bereits bei Selbstkosten von mindestens 1.150 Euro plus diverse Zuschläge. Ob man dafür nicht günstiger, terminsicherer, und gesamtheitlich entspannter mit der Linie fliegt (selbst mit Umsteigen)?
Ich kann Deinen Plan emotional gut verstehen. Für mich geht es morgen mit Slot und allem Gedöns geschäftlich nach Berlin-Schönefeld. Könnte auch mit der Bahn fahren, geht zeitlich von Haustür zur Haustür genauso schnell. Freue mich aber auch darauf, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, aber nur, wenn einige Kriterien (s.u.) erfüllt sind.
Und man darf die Randzeiten nicht vergessen, wenn man argumentiert, unabhängig von Flugzeiten der Airlines und damit schneller zu sein: Auch bei den meisten GATs wird man gefilzt und muss ggf. warten. Hinzu kommt das Begleichen von Landegebühr, Bestellen von Taxi/Wagen zum Flieger, ggf. Zoll. Das dauert schnell 30 Min. Bei unserem schwach frequentierten Regionalairport Münster/Osnabrück bin ich in der gleichen Zeit im Rüssel zum Airliner (ab Parkhaus). Das muss man ganz genau ausrechnen, was man wirklich spart.
Fazit: Bei folgenden Kriterien erwäge ich den geschäftlichen Flug mit dem eigenen Flugzeug:
1. Ziel liegt mehr als drei Stunden mit Auto/Zug entfernt und/oder ist nur kompliziert/langwierig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar (z.B. die Strecke Osnabrück-Leipzig). Ab diesen drei Stunden Reisezeit relativieren sich meine Rüstzeiten am Start- und Landeplatz in Relation zur Flugzeit. 2. Der Termin ist ggf. verschiebbar (Gerichtstermine scheiden beispielsweise immer aus, es sei denn man fliegt am Vortag) und liegt nicht an den Randzeiten des Tages. Ich brauche quasi ein organisatorisches "Out", wenn Dinge anders laufen, als geplant. 3. Das Wetter passt für einen erwartungsgemäß stressfreien IFR-Flug. 4. Start und Ziel haben einen Flughafen mit IFR-Verfahren.
Oft sind die Punkte gegeben. Falls nicht, freue ich mich bewusst auf eine relativ stressfreiere Fahrt mit alternativen Verkehrsmitteln. Ist halt so.
Vielleicht konnte ich für die Bewertung Deines Vorhabens etwas Nützliches beitragen?
Viel Erfolg, wie immer Du Dich auch entscheidest.
Gruß Jens
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Zunächst einmal herzlichen Dank für die wirklich ausführliche Antwort.
Auch ich hatte mir schon gedanklich jene Kriterien zurechtgelegt, die Du erwähnst. Ich sollte eigentlich jeweils am Vortag die Entscheidung treffen können und wenn ich mal falsch liege, kann ich sicher verschieben. Auch würde ich ohnehin jeweils am Vortag anreisen. Bei der Strecke sticht das Argument Zeitersparnis (hin und zurück am gleichen Tag) nicht mehr so richtig, weil ja die Strecke einfach zu lang ist und ich in der Regel auch nicht wegen eines 1h langen Termins reise.
Ginge es allein um den Preis, dann hat die Airline bei der Entfernung schon gewonnen. :-(
Du erwähnst 100h/Jahr und 230/h ohne Abschreibung. Wie würde das in Deinem Fall bei 300h/Jahr aussehen? Ich vermute, daß u.a. wegen der TBO des Motors der Stundenpreis nicht gleich bleibt.
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