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11. Februar 2004 Joachim Adomatis

Luftrecht: Dilettanten und Denunzianten


Einer flog übers Kernkraftwerk...

aber wer? - Denunzianten, Dilettanten, anmaßende Behörden, schlampige Ermittler und eine überforderte Justiz zum Tatvorwurf Luftraumverletzung. ”Kommen Sie zur Flugleitung und bringen Sie bitte alle Ihre Papiere mit!” Die Cessna hatte gerade aufgesetzt. Sie war im Ausrollen, als dieses dem Piloten und seinem Co in die Head Sets gebellt wurde. ”Der Empfang war hier auch schon mal besser gewesen,” bemerkt Jürgen Hönicke zu seinen drei Mitfliegern. Er rollte, wie ihm geheißen, ab über Charley und stellt das Luftfahrtzeug gegenüber einem rostig gelben Container ab: Luftaufsicht Peenemünde.

Was folgte, glich einem Verhör: Er habe in niedriger Höhe ED-R-16, das Sperrgebiet um das ehemalige Kernkraftwerk Greifswald-Lubmin, von Südwest nach Nordost überflogen. Dieser Verstoß habe sich nur acht Minuten vor seiner Landung auf der 14 von EDCP ereignet. Es half dem Piloten wenig, darauf hinzuweisen, er sei in die Platzrunde von Süden her eingeflogen, habe Positionsmeldungen und Richtungsänderungen jeweils ordnungsgemäß abgesetzt und überhaupt während seines Anflugs in ständigem Funkkontakt mit der Bodenstelle gestanden. Der Fall wäre eindeutig, wurde ihm entgegen gehalten, das Flugzeug sei zudem identifiziert worden. Möglicherweise habe er ja nicht gemerkt, dass er seinen Anflug von zu weit westlich aus organisiert habe. So werden Straftäter gemacht ! Für Hönicke und seine drei Freunde war das Wochenende damit gelaufen. Man hatte sich so sehr auf den Strandausflug gefreut. Eine Woche vorher schon war das Flugzeug bei Arrow Air Service in Berlin-Strausberg reserviert worden. Der im Sommer letzten Jahres auf dem Sonderlandeplatz Peenemünde in höchstem Maße verärgerte Pilot, war noch arglos. Er ahnte nicht, was ihm in den nächsten Monaten blühen würde:
  • Anhörungsbogen vom Luftfahrtbundesamt zum Vorwurf der Luftraumverletzung nach §62 LuftVG;
  • Vorladung des Delinquenten zur Kriminalpolizei in Berlin;
  • Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Greifswald über 300 Euro, entsprechend 20 Tagessätzen Haft,
  • Widerspruch des Beschuldigten;
  • Strafverfahren vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Greifswald.
Von jenem Julisonntag im sommer 2003, an dem der Badeausflug an die Ostsee geplant und durchgeführt worden war, bis zum Strafprozesstermin vor dem Greifswalder Gericht Anfang Februar 2004, hatte der in Gerichtsdingen unerfahrene Diplomingenieur Jürgen Hönicke ein unruhiges halbes Jahr. Im Gespräch mit Pilot und Flugzeug sagte Hönicke, er fühlte sich während der vergangenen sechs Monaten wie in einem schlechten amerikanischen Krimi. Er fand sich in der Rolle, dass auf ihn einige Tatmerkmale zutreffen könnten, und es wurde wider besseren Wissens gegen ihn ermittelt, parallele Spuren nicht weiter verfolgt. Eine Expertin für Brandstiftung ermittelte Zu Unrecht und falsch beschuldigt fühlte er sich. Er handelte wie viele in vergleichbarer Situation: Er zeigte sich den Behörden gegenüber in höchstem Maße kooperativ, statt auf seine Rechte zu pochen und die Ermittler auf ihre Beweispflicht zu verweisen. Er war der Meinung, alles müsse sich klären. Alles sei doch ein Irrtum. Dabei hatten die Ermittler ihn längst als den bösen Luftraumverletzer ausgemacht, in ihrem Unvermögen fachgerecht zu ermitteln, suchten sie nach Widersprüchen in seinen zu Papier gebrachten Angaben. Der Gedanke kam dem Ingenieur erst bei seiner Vernehmung bei der Berliner Kriminalpolizei. Eine Kommissarin hatte sich dazu eine Protokollführerin mitgebracht. Er war allein. Freimütig räumte die Beamtin ein, von Luftfahrt keine Ahnung zu haben, sie bearbeite sonst Brandstiftungen. Auf dem Tisch der Ermittlerinnen lagen unter anderem. Radaraufzeichnungen der DFS über ED-R-16. Material, das ihm als Beschuldigtem nicht zugänglich war. Das von den Brandkommissarinnen über die Vernehmung gefertigte Protokoll unterschrieb der Delinquent nicht. Das half ihm nicht. In dem ihm in den letzten Tagen des Jahres zugestellten Strafbefehl des Staatsanwalts fanden sich seine ”Einlassungen vor der Kriminalpolizei” unter den belastenden Materialien und die Ermittlungsbeamtinnen als Zeugen. Als weitere Zeugen waren die Wachmänner der Energiewerke Nord, Siegelow und Wiechert angegeben, sowie auch Radarprotokolle der Deutschen Flugsicherung Berlin. Ins Fadenkreuz der Ermittler geriet auch Heiko Teegen Hilfe suchend wandte sich Jürgen Hönicke an die Redaktion von Pilot und Flugzeug. Widerspruch gegen den Strafbefehl habe er eingereicht. Ganz schnell müsse er einen Rechtsanwalt beauftragen, sagten wir ihm, damit der Akteneinsicht nehmen könne. Bei unserem Telefongespräch nannte Hönicke das Datum des vermeintlichen Vorfalls, den 20. Juli 2003. Das Datum kannten wir. Offenbar hatten die beiden Denunzianten der Energiewerke Nord ihren großen Tag. Denn für diesen Sonntag liegt hier in der Redaktion noch ein Protokoll gegen Heiko Teegen vor. Ein Tag an dem das Flugzeug D-IAHT nachweislich nicht bewegt worden war. Bei der Wahl seines Anwalts hatte Hönicke eine glückliche Hand. Rechtsanwalt Friedrich H. Humke aus Berlin ist Privatpilot. Zunächst stellte der fest, dass die Flugzeugkennung D-EFNK erst nachträglich in die Ermittlungsakten gebracht wurde. Die Registrierung war nicht vom Boden her abgelesen worden. Die nächste Überraschung brachten die vermeintlich belastenden Radaraufzeichnungen der DFS Berlin. Sie wiesen nicht eine, sondern drei Radarspuren im Bereich des Kernkraftwerks Lubmin-Greifswald in der fraglichen Zeit auf. Keiner der im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätigen eifrigen Ermittler hatte sich die Mühe gemacht, zu versuchen die Radar-Tracks auf ihren Ursprung zurückzuverfolgen. Dies tat nunmehr Rechtsanwalt Humke. Und er hatte Erfolg. Zusammen mit Wolfgang Lasse, Safety-Manager der DFS in Berlin Tempelhof analysierten sie die Aufzeichnungen. Statt einer, gab es drei Radarspuren Dabei stellten sie fest. Das Flugzeug, das am 20.07.2003 gegen 9.38 Uhr UTC das Flugbeschränkungsgebiet ED-R-16 durchflogen hatte, war erstmals um 8.00 Uhr UTC bei Hannover-Hodenhagen vom Radar der DFS erfasst worden. Mit Kurs von 60 Grad flog es in 1.300 Fuß in das Beschränkungsgebiet ein und verließ es über dem Peenestrom in einer Höhe von 500 Fuß, bevor sich die Radarspur über dem Flugplatz Peenemünde verliert. Eine zweite Radarspur führt über das Hafengebiet von Peenemünde. Sie befindet sich auf dem Kurs der vorgegebenen Platzrunde und verliert sich um 9.44 Uhr UTC im Endanflug auf die Landerichtung 14 von EDCP. Die Rekonstruktionen von Rechtsanwalt Humke und DFS-Lasse ergaben: Diese Flugbahn hinterließ ein Flugzeug, das um 8.40 Uhr UTC in Berlin-Strausberg gestartet war: D-EFNK, PIC Jürgen Hönicke. In dem Strafverfahren wurde er vom Landgericht Greifswald von dem Vorwurf der Luftraumverletzung freigesprochen. Kommentar ? - Kein Kommentar. Lesen Sie mehr darüber im Aprilheft von Pilot und Flugzeug.


  
 
 




26. Februar 2004: Von airklaus an Joachim Adomatis
.... ich bin schlicht und einfach entsetzt, wie schnell man in diesem unserem Staat kriminalisiert werden kann und mit welcher Leichtfertigkeit hier umgegangen wurde. PuF sei Dank und ich weiß nun an wen ich mich im Falle der Fälle wenden kann.
9. März 2004: Von T.Lins an Joachim Adomatis
Ich bin glücklicher Inhaber einer US Lizenz und habe meinen Schein im Okt.'99 in Florida gemacht.
Dort habe ich gelernt, das man in Platzrundenhöhe, im 45° Winkel, etwa in der Höhe der Bahnmitte in den Gegenanflug eindreht. Bei einem unkontrolierten Platz wird dabei ständig die eigene Position bzw. Richtungsänderungen und Absichten des Piloten (z.B. Landung, Touch-and-Go, Überflug des Platzes...) über Funk abgesetzt.

Nach der Karte, dürfte ein Einflug in den rechten Gegenanflug zur Bahn 14 demnach kein allzu großes Problem darstellen.
Der Einflug in den linken Gegenanflug der Bahn 32, ohne Verletzung des Luftraums ED-R 16, halte ich angesichts der Karte jedoch für nicht durchführbar.

Wer diese Platzrunde so festgelegt hat, besitzt wahrscheinlich einen Blindenhund und eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten drauf.

Nordöstlich der Bahn ist auf der Karte weit und breit kein Luftraum zu sehen.
Warum um alles in der Welt wird die Platzrunde der Bahn 32 nicht von dieser Seite angeflogen???

Ich kann den deutschen Amtsschimmel deutlich wiehern hören, der lacht sich schon halb tot.
Sesselfurzer und Wichtigtuer, wann werdet ihr endlich erwachsen?


Grüße aus dem Fliegerparadies

T.Lins
19. April 2004: Von Wolfgang Schlegel an T.Lins
Hallo Freunde!
Weshalb, um alles in der Welt, fällt keinem Entscheidungsträger auf, dass diese schraffierten "Büchsen" um die KKWs absolut effektlos sind. Erst recht um solche, die seit Jahren still gelegt sind. Weshalb geniert sich ein Mensch mit halbwegs gängigem Hirnwerk nicht, solchen Unsinn zu unterschreiben. Welch anderer Grund als jener, sich in der Riege der Stümper der Nation einzugliedern, treibt sie an? Da die Vernunft hier keine Rolle mehr spielen kann, ist die treibende Kraft wohl letztlich der, nach Freud, angeborene Trieb zur Destruktion, welcher sich auch mit all seinen negativen Auswirkungen im Agieren der Exekutive darstellt. Wenn heute ein Minister ans Mikro treten und posaunen kann, man habe die Steuern gesenkt, nur sei das Volk nicht sensibel genug dies zu bemerken, wird man morgen für die exponentielle Entwicklung der Unfähigkeit unverblümt die Dummheit des eigenen Wählers verantwortlich machen.
Gut' Nacht!
Euer Henning
19. April 2004: Von  an Wolfgang Schlegel
Hallo, wartet erst mal ab, was da noch alles kommt. Ausserhalb der Fliegerei wird ernsthaft über Ausweise mit Biometrischen Merkmalen nachgedacht. Ab 2006 (genau zu Fussball WM) soll es vermutlich losgehen. Eine Datenbank mit allen biometrischen Merkmalen soll zentral erstellt werden. Klingelt es ? Das haben wir doch schon mal gehabt, damals wurden auf diese Art und Weise Leute diskrimiert. Wer garantiert uns dann, das diese Daten nicht auch irgendwie in falsche Hände gelangt. Datenschützer, vereint euch, die Bürokraten schiessen wieder mal über das Ziel hinaus.....

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