Lieber Tomas,
vielen Dank für das Angebot, aber dieses muß ich aus mehreren Gründen ablehnen. Zum einen geht es ja nicht um das Fliegen eines Gegenkurses, sondern um die Umsetzung der in Eurem Blog genannten "Tipps". Mir ist die Umsetzung selbiger, also das Fliegen von Kurven im Stall in Bodennähe, zu gefährlich und eine Einwilligung in Eure Demonstration mit mir als Fluggast würde alles konterkarieren, was ich schreibe und ausbilde. Ferner ist es nicht möglich, daß wir gemeinsam in einem UL fliegen, alleine schon weil dadurch das UL überladen ist.
Meine erste Seilrissübung habe ich übrigens im September 1995 geflogen. Damals war ich 13. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß im Segelflug nur äußerst selten, wenn überhaupt, Umkehrkurven geflogen werden - weil sie einfach zu unfallträchtig sind - und die aerodynamischen Möglichkieten durch die aerodynamische Güte und Gleitwinkelkontrolle um ein vielfaches besser sind als bei fast jedem Motorflugzeug. Und diese Einschränkungen in der Übertragbarkeit Eurer Demonstration der Umkehrkurven, werden nicht genannt, dafür aber die sehr gefährliche Empfehlung mit einem überzogenen Flugzeug in Bodennähe zu fliegen - denn genau das bedeutet ja das Fliegen mit Mindestfahrt.
Im Blog schreibt Ihr:
In Sicherheitshöhe oder drüber - Umkehrkurve: Wir haben reproduzierbare Umkehrkurven in 400-500ft bei normalen Wetterbedingungen vollzogen. Eines sollte aber jedem klar sein: Eine banale 180°-Kehrt-Kurve zurück zur Bahn ist nicht zielführend, da der Versatz zur Bahn am Ende durch eine S-Kurve in Bodennähe ausgeglichen werden muss.
Hier steht nicht, daß Ihr ein aerodynamisch hochwertiges Flugzeug mit sehr guter Steigleistung und guter Gleitwegsteuerung fliegt, und daß Ihr die Schreksekunde ausgelassen habt. Vom bewussten Nachdrücken in dieser Situation um die Trajektorie bewusst zu ändern schreibt Ihr dabei ebenfalls kein Wort. Die Beschreibung ist also bestenfalls unvollständig, und genau deshalb nicht für Wenigflieger, die ich wenig mit den Wirkzusammenhängen auseinandergesetzt haben, brauchbar. Ihr müsst ja immer damit rechnen, daß auch jemand glaubt, was Ihr schreibt.
Im Blog schreibt Ihr auch:
Notlandung geradeaus auf einem Acker: Unterhalb der Sicherheitshöhe hat man die Klappen noch in Startstellung. Ist das Landefeld in sicherer Reichweite, sind die Klappen komplett auszufahren und die Geschwindigkeit auf ein Minimum zu reduzieren
und später
Was nicht verschwiegen werden darf ist die Tatsache, daß Umkehrkurven ein komplexes Manöver darstellen, welches viel Potential für einen Absturz beinhaltet. Man sollte seine Maschine mit Mindestfahrt und vor allem koordiniert, ohne Schiebezustände durch eine Kurve fliegen können und dieses zuvor in sicherer Höhe hinreichend geübt haben.
Mindestgeschwindigkeit bedeutet immer, daß Ihr am Rand der Enveloppe operiert, und zwar an dem Rand an dem das Flugzeug aufhört zu fliegen. Einige Flugzeuge, wie die Cessna 172 oder 150 muß man schon arg vergewaltigen, bis sie ihren Dienst quittieren, aber andere Flugzeuge, wie beispielsweise der Junior oder die DR250 brechen unterhalb der Mindestgeschwindigkeit deutlich weg, und wenn ich mir einige der Profile und Tragflügel schnellerer UL anschaue - die Piloten gerade dieser Maschinen scheint Ihr ja ansprechen zu wollen - dürften die auch eher keinen ausgeprägten Sackflug erlauben.
Beim erneuten Lesen (mit der Hoffnung ihr würdet Eure Fehler klammheimlich korrigieren) bin ich auf eine interessante Frage gestoßen. Ihr schreibt:
Lernfrage: Warum wird pauschal die Handlungsmöglichkeit einer Umkehr ausgeblendet? Umkehrkurven bilden einen hohen Anteil an fatalen Abstürzen - einen Grund mehr sich damit zu befassen.
Lernfrage für Dich, oder für mich? Dabei ist das einfach zu beantworten, insbesondere wenn man sich den Vortrag noch einmal anschaut, den Alexander im ersten Beitrag dieser Diskussion verlinkt hat: In den Versuchen waren alle Startabbrüche mit Landung geradeaus ohne Unfall erfolgreich, die Umkehrkurven hatten eine Erfolgsquote von bestenfalls 50% und selbst wenn die Piloten darauf eingewiesen wurden von nur 75%. Die Chancen, daß man die Landung geradeaus unbeschadet übersteht sind also bedeutend höher als die, wenn man eine Umkehrkurve ausprobiert. Dabei ist der Höhenverbrauch sogar nur sekundär, denn in den meisten Unfällen kam der Pilot garnicht erst soweit, kontrolliert aufzusetzen. Auch im realen Leben scheint die Zahl der unglücklichen Piloten, die in der Kurve abkippen und somit unkontrolliert den Boden berühren signifikant für eine Geradeauslandung zu sprechen. Dazu kommt noch, ich erwähnte es ebenfalls bereits, die Möglichkeit bzw. Kapazität einer schnellen Fehlersuche bei der Geradeauslandung.
Oder in einem Luftfahrt-Aphorismus ausgedrückt: Der überlegene Pilot nutzt sein überlegenes Urteilsvermögen dazu, die Situationen zu vermeiden, die sein überlegenes Können herausfordern.
Ich will mal versuchen, Dir ein paar andere Fragen in Deinem letzten Beitrag zu beantworten:
Wolff wenn ich Ausbildung stets mit der Frage verbinde, ob jemand Viel- oder Wenigflieger ist, was bedeutet das in Konsequenz? Daß man sich dann auch gleich Trudelübungen (z.B. im Segelflug) sparen kann? Oder Missed Approaches im Instrumentenflug? Wozu eigentlich noch etwas lehren, wenn ein Wenig-Flieger eh situativ überfordert sein wird... ist das Deine Argumentationslinie und Verständnis von Flugschülern und Piloten?
Jede Übung einer Notsituation hat das Ziel, die Abläufe zu trainieren, die den Piloten am sichersten aus der Situation herausbringen, und das vorzugsweise konsistent und weitestgehend unabhängig vom Muster. Differenzen dazu werden dann im Vertrautmachen oder, wenn die Systeme komplexer werden, in Klassen- oder Typenberechtigungen geschult- und geübt. Die Umkehrkurve für einen Triebwerksausfall nach dem Start ist kein Manöver, daß die sichersten Chancen bietet. Es kann geboten sein sie zu trainieren, aber dann mit der korrekten Fluggeschwindigkeit und im vollen Bewusstsein der damit verbundenen Risiken und Einschränkungen. Ferner halte ich es im Motorflug für sinniger mehr Wert auf das Vermeiden des Trudelns zu legen, als auf das Beenden des Trudelns, speziell im Ultraleichtflug, wenn notorische Überladung zu hinteren und kritischeren Schwerpunktlagen führt. Ebenso aber auch beispielsweise in meiner Lake, bei der ich auch nicht wirklich scharf drauf bin, diese zu trudeln. Anders sieht das im Segelflug aus. Dort ist der Anteil der Flugzeit am unteren Geschwindigkeitsbereich so hoch, dabei die Aufmerksamkeit oft auf Andere Flugzeuge gerichtet, daß es keine Seltenheit ist, daß man - gerade die alten Standardklasseflieger sind dafür bekannt - Über die Fläche abkippt und in den Bart trudelt. Das ist mir selber ein paar Mal mit der Ka6 und der Hornet passiert. Hier sollte man natürlich gründlich lernen, den Flugzustand rasch zu erkennen, und auszuleiten.
Was absolut daneben ist, ist es Diskussionen auf Nebenschauplätzen zu führen
Nein, denn diese "Nebenschauplätze" sind hier das, was die Leser ins Grab bringen kann. Und deshalb mache ich mir die Mühe überhaupt, hier zu erklären um was es geht und warum etwas nicht geht, wenn es nicht geht. Tomas, Flugzeuge sind kein Spielzeug und Eure Blogs behandeln keine Schminktipps. Ihr seid Verantwortlich für das, was Ihr schreibt. Dem seid Ihr Euch doch bewusst, oder?
Wer hatte schonmal einen Motorausfall in niedriger Höhe? Denn nur wer die Dynamik in so Situationen erlebt hat, kann mitreden.
Herbst 2000, im Abflug von Rendsburg in einer Morane Minerva, ca. 500ft AGL mit einer C340 die kurz nach unserem Start durchgestartet ist. Grund war Fuel Starvation, also die Wahl eines leeren Tanks für den Start. Auf dem Weg in das Landefeld geradeaus konnte ich den Tank wechseln, Spritpumpe wieder einschalten und dann weiterfliegen. Die Pilotin der C340 hatte grüne Augen und braune Haare.
Fast den selben Fehler (Ablenken lassen und dann auf dem falschen Tank geflogen) hatte ich dieses Jahr, nur kurz nach dem Gasgeben beim Durchstarten in ca. 2 Metern Höhe, ich hatte mich dazu auch noch während meiner Landevorbereitung im Gegenanflug ablenken lassen und "vollster Tank" mental abgehakt aber nicht durchgeführt.
Die letzte Übung als Trainee im Sommer 2016 in einer Cessna 172P amphibian bei der Schulung zum SEP(sea).
Die letzte Übung im Frühjahr 2016 in einer Cessna 172P, als mein Schüler meinte 500ft AGL würden reichen für eine Umkehrkurve. Wir haben das mal ausprobiert und er erkannte nach 90° Kurswechsel (also als er den Platz sehen konnte), daß das eine schlechte Option war.
Reicht Dir das an Erfahrung um meine Ausführungen zu legitimieren? Nicht, daß es etwas am Wahrheitsgehalt meiner Aussagen ändern würde. Die stehen eigentlich für sich, ohne daß ich meinen Hintergrund in den Vordergrund stellen muß.