Hallo Chris, gerne, auch wenn das hier nur abgerissen werden kann. Seit rund 120-130 Jahren hat sich in der Psychologie das Konzept der Persönlichkeit herausgebildet, die darüber maßgeblich entscheidet, wie wir Dinge wahrnehmen, beurteilen, auf sie reagieren, handeln. Das umfasst Konzepte wie extrovertiert vs introvertiert, kann aber auch z.B. auf die Frage ausgeweitet werden, warum Person A sich für Flugzeuge interessiert, Person B hingegen nicht. Wie Du sicher weißt, verfügen Menschen über ein ihnen eigenes Genom (Ausnahme: eineiige Zwillinge) und es wird seit jeher davon ausgegangen, dass diese genetische Einzigartigkeit auch zu einer einzigartigen Persönlichkeit führt. Nun haben Kritiker dieser Theorie aber bereits vor vielen Jahrzehnten gesagt, dass unsere Umwelt (darunter fällt alles von Elternhaus, Erziehung, Erfahrungswelt) ja wohl nicht völlig ohne Einfluss auf die Persönlichkeit eines Menschen bleiben kann. Das ist als These leichter behauptet, als zu zeigen - aber denke mal an eineiige Zwillinge - trotz genetischer Übereinstimmung gibt es nachweislich Fälle mit sehr unterschiedlich ausgeprägter Persönlichkeit. Und neben diesen Zwillingsstudien konnte in Adoptionsstudien gezeigt werden, dass der Einfluss von Familie und Eltern in bestimmten Bereichen sehr wohl einen deutlichen Einfluss auf die Persönlichkeit hat. Es ist nach heutigem Stand der Forschung (und das schon seit vielen Jahrzehnten) absolut unwahrscheinlich, dass Erziehung und Umwelt, also Erfahrungen, keinen Einfluss auf die Persönlichkeit eines Menschen haben soll, diese These konnte falsifiziert werden. Tatsächlich könnte sogar ein einziges Zwillingspaar, bei dem der eine fliegt, der andere nicht, ausreichen, diese These zu widerlegen. Ich habe mich über folgende Texte mit dem Thema im Studium auseinandergesetzt, denke, sie geben einen guten ersten Überblick über die Debatte. Man kann aber auch in der Youtube University gute Filmchen unter dem Stichwort Nature vs Nurture finden. Viele Grüße Lutz Cooper, C. (2010). Individual Differences and Personality. London: Hodder Education. (nur Kapitel 1 und 11). Maccoby, E. E., & Jacklin, C. N. (1974). The psychology of sex differences. Stanford: Stanford University Press Polderman, T. J. C., Benyamin, B., de Leeuw, C. A., Sullivan, P. F., van Bochoven, A., Visscher, P. M., & Posthuma, D. (2015). Meta-analysis of the heritability of human traits based on fifty years of twin studies. Nature Genetics. 47(7), 702-709.
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Danke Lutz.
Nun finde ich aber bereits die Grundannahme, Erziehung, Elternhaus etc. hätten KEINEN Einfluss, ziemlich abwegig, die Falsifikation ist also nicht überraschend.
Ebenso finde ich die Grundannahme, es gebe keinen "genetischen"/biologischen/intrinsischen Unterschied, der (statistische) Differenzen in Neigungen und Fähigkeiten erklären kann, ziemlich abwegig. (und diese Ansicht hatte ich mit 20 nicht, habe ich erst im Laufe von Jahren angenommen)
Und im Sinne von "Mann und Frau sind gleichwertig, aber nicht gleichartig" halte ich so eine Ansicht weder nicht für "ewiggestrig" noch sexistisch. Aber sie ist politisch nicht opportun zur Zeit.
Opportun ist es, an Männern alles Mögliche schlecht zu finden und den Frauen genauso dogmatisch positive Eigenschaften zuzuschreiben.
Die meisten "normalen" (unpolitischen) Menschen tippen sich dabei an die Stirn. Wie selbstverständlich nimmt man bei den Kindern im Kindergarten- oder Grundschulalter die (statistisch signifikanten) Unterschiede der Geschlechter wahr. Es ist ja nicht plausibel, dass sämtliche Elternhäuser quasi stillschweigend übereinstimmend bestimmte Rollenmodelle eintrainieren. Im Gegenteil, manch einer wünscht sich einen "ordentlicheren" Jungen oder ein "technisch interessiertes" Mädchen (oder ähnliches) und merkt dann, dass man die Kinder nicht nach Belieben formen kann, sondern sie mit ihren Eigenheiten so nehmen muss, wie sie sind. Und das ist ja auch gut so.
Eigentlich ist das alles ziemlich banal, finde ich. Aber halt nicht opportun zur Zeit.
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