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2016,03,13,16,2129522
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38 Beiträge Seite 2 von 2
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Alfred, da hast Du meinen Beitrag völlig missverstanden. Johann hat ein sehr interessantes Problem des medizinischen Personals aufgezeigt, das mir so in der Schwere noch nicht bewusst war ich wollte mehr erfahren.
Eine Möglichkeit ist zu sagen "alle Renter sehen mindestens 70% außer ein paar wenigen und bei denen sorge ich dafür dass sie aus dem Verkehr gezogen werden". Und wenn ein kürzlich untersuchter Renter auffällt, ja dann haben sich die Augen eben seit der Untersuchung spontan degeneriert. So wird sehr oft geheuchelt. Ich finde es toll, dass das Dilemma offen angesprochen wird.
Ich kenne einen ähnlichen Fall ohne Schweigepflicht aber genauso schwierig. Ein Flugplatzwirt sprach mich an, dass es einen Fluglehrer gäbe, der immer einen Cappuchino mit 50% Grappa bestellt und danach weiterfliegt. Viele wissen davon und der Wirt fragt sich nun, was er tun soll. Ignorieren, da nicht vom Fach und auch nicht von Amts wegen betraut, einfach weigern zu servieren, das Luftamt informieren, die Person ansprechen und warnen? Es handelt sich natürlich um eine sehr bekannte und respektierte Persönlichkeit. Ich habe gesagt, Luftamt anschreiben da:
- Jemand der so etwas in dieser Situation bestellt ein kranker Alkoholiker sein muss
- Alkohol beim Fliegen überhaupt nicht geht, Null Toleranz ist geboten
- Alkoholiker mit solchen Verhaltensmustern prinzipiell nicht durch ein Gespräch überzeugt werden können
- Flugschüler besonders schutzbedürftig sind
Allerdings war ich weder der Kneipenwirt noch kannte ich den Fluglehrer. Ist also einfach zu sagen...
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Tangiert zwar auch nicht das Feld der Schweigpflicht, jedoch direkt zu Deinem Fall passend:
Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn arbeitete ich einmal mit einer Person in einem Assistenzberuf zusammen, die alkoholisiert mit mir den Nachtdienst bestritt. Es stellte sich schnell heraus, dass dies ein langjähriges und vielen Mitarbeitern bekanntes Problem dieser Person war.
In diesem konkreten Fall habe ich das betreffende Individuum vor die Wahl gestellt: entweder Du meldest Dich und bittest um Hilfe oder ich melde Dich. Das klingt jetzt einfacher, als es ist und hat zu mittelschweren Diskussionen geführt. Glücklicherweise mündete das ganze in einer Selbstanzeige und ebenso glücklicherweise in einer Reaktion der Geschäftsführung mit Augenmaß: Unterstützung beim Entzug und Wiedereingliederung. Ich bin froh, damals so gehandelt zu haben und nicht wie viele Andere aus falsch verstandener Solidarität bzw. Angst vor negativen Konsequenzen mehrere Augen zugedrückt zu haben.
Zum Glück war das kein Arzt/Patienten-Verhältnis, sonst hätte die Sache anders ausgesehen
Gruß,
Carmine
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Aus meiner Sicht gehört es zum Beruf des Arztes (...etc) dazu, dass eine Grauzone des eigenen Abwägens verbleibt, eine Zone, in der man nur schlechte Entscheidungen treffen kann, in der man eben selbst die Verantwortung trägt.
Wir hatten dieses Argument vor einiger Zeit schon mal im Zusammenhang mit Selbstverantwortung und Sterbehilfe,volle Zustimmung.
Hier ist aber der Bruch der Schweigepflicht nicht nur Gewissensentscheidung (und Verantwortung vor sich selbst, Patienten, Angehörigen, Kostenträgern...), sondern auch gesellschadftlich massiv sanktionierte Straftat. §34 (rechtfertigender Notstand) vs. §203 (Schweigepflicht) ist eine Einzelfallentscheidung mit Abwägung ex post und damit für einen juristischen Laien nicht absehbar: https://tisrv09.kohlhammer.de/doev.de/download/Portale/Zeitschriften/Krankenhaus/aktheft/aktheft_03_07.pdf
https://www.aerztekammer-berlin.de/10arzt/30_Berufsrecht/08_Berufsrechtliches/06_Behandlung_von_Patienten_Pflichten_Empfehlungen/35_Merkblatt_Schweigepflicht.pdf Näher am Thema: https://www.lpk-bw.de/archiv/news2006/pdf/060413bo_schweigepflicht.pdf Bemerkenswert immerhin, daß drohendes Fahren unter Alkohol problemlos zum Bruch der Schweigepflicht berechtigt, also auch im Fall des fliegenden Alkoholikers oben.
Bisher hielt ich juristische Argumente in der Medizin immer für einen Ausdruck von Charakterschwäche. Das revidiere ich gerade.
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Ja, das Problem ist, dass Richterrecht dem Zeitgeist unterliegt. Damit will ich nicht sagen, dass angetrunken fahren, fliegen etc jemals gut waren - aber damit ist der Arzt/Anwalt etc. einfach der ständigen Gefahr ausgesetzt, dass die Welt um ihn sich vielleicht schneller ändert, als er selbst.
Wo soll er die Grenze ziehen? Und wo wird die Grenze morgen sein?
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Selbst wenn man es streng utilitaristisch betrachtet, ist die Schewigepflicht sehr wichtig. Sie untermauert das Vertrauensverhältnis und stellt sicher, dass ein Erkrankter die Behandlung sucht und hoffentlich gesundet, anstatt sich davor fürchten zu müssen, dass er neben dem Antibiotikum gegen die Syphillis auch die Strafanzeige wegen Prostitution bekommt (in Staaten wo soetwas nocht strafbar ist), die Ehe zu Bruch geht, oder er eben der Pilot den Beruf verliert.
Bei Krankheiten, die andere gefährden (siehe oben - ansteckende Geschlechskrankheiten, Alkoholismus, schwere Psychosen in bestimmten Berufen, oder auch Nierensteine bei Piloten) ist daher das Mittel der Wahl die Aufklärung und die Eigenverantwortung des Patienten.
Alles andere führt zur Verheimlichung und zu unbehandelten Krankheiten mit schwereren Folgen später.
Ein paar Beispiele: ich kenne einen Piloten, der seine Nierensteine (schwere Koliken) "schwarz" behandeln liess, damit sein Medical nicht in Gefahr geriet. Ich habe das für Verantwortungslos gehalten, aber nachdem ich selber 3 Monate ohne Medical war und dadurch vier Ratings verlor die ausgerechtet dann fällig waren, weil ich Ehrlicherweise eine (leichte) Lungenentzündung (ohne Hospitalisierung, ca. drei Wochen richtig Krank) meinem Fliegerarzt ins Formular schrieb, verstehe icht das etwas besser.
Fazit: Allgemeine Datenweitergabe ist eine dumme Idee. Nur wen der Arzt starken Grund zur Vermutung hat, dass der Patient Schaden anrichten wird, sollte er Eingreifen - und dann auch weil der Patient selbst in Gefahr ist.
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@ Achim, ja, Dein Beitrag war provokativ, daher (für mich) missverständlich.
@ Lutz, ja, man muss mitunter zugespitzt oder übertrieben forumulieren um Barrieren zu überwinden.
Die Diskussion zu diesem existentiell wichtigen Thema verläuft eher schleppend und wird vermutlich demnächst versanden. Der Interessenkonflikt liegt auf der Hand
"Datenschutz ist Täterschutz" das erleben wir gerade mit den Terrorangriffen, wie konnten denn die Attentäter über Jahre hinweg - ich sage mal - unbemerkt von den Behörden ein terroristisches Netzwerk in Belgien aufbauen? Unsere Welt ist sehr fragil geworden, Flugzeuge sind gesichert, wie ist es mit den Warteschlangen vor - was auch immer ?
Winnenden; der Täter hatte in 2008 seiner Jugend Therapheutin von seinem Hass auf die Gesellschaft ("alle erschießen") erzählt. Im März 2009 hatte er es umgesetzt und 15 Menschen erschossen. Konnte niemand erkennen wie schlimm es um den Menschen steht? Derzeit stehen Regreßansprüche über 4 Mio € im Raum und sehr wahrscheinlich konnte niemand die Gefährlichkeit dieses Menschen erkennen.
"Datenschutz ist Opferschutz" findet das statt? Vermutlich eher nicht. In Gerichtsverfahren müssen die Akten an die Täteranwälte herausgegeben werden. Die Täter erhalten damit alle Informationen über die Opfer, die Zeugen, alle Prozeßbeteiligten. Das ist Gegenstand des zivilen Gerichtsverfahrens, beruhgend ist es letztlich für die Opfer nicht. Für mein Verständnis werden die Schutzinteressen der Opfer seitens der gesetzlichen Bestimmungen nicht genügend erfasst.
Vorne ist eben da wo niemand weiß wie es weitergeht, auch in Sachen Datenschutz. Vermutlich werden wir nur sehr viel an Datenschutz aufgeben müssen um eine höhere Sicherheit vor Anschlägen (egal ob politisch oder anders motiviert) zu erhalten.
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Vermutlich werden wir nur sehr viel an Datenschutz aufgeben müssen um eine höhere Sicherheit vor Anschlägen (egal ob politisch oder anders motiviert) zu erhalten.
Der Preis der Freiheit ist auch ein gewisses Lebensrisiko. Den Datenschutz (und damit Freiheiten) aufzugeben, um dadurch - wie eigentlich genau? - "besser" vor Anschlägen geschützt zu sein, hielte ich für keine gute Idee, um es Milde auszudrücken.
Bessere Koordination von Behörden in Verwaltung und im Polizeiapparat: Gerne, auch EU-weit. Allerdings hat gerade Brüssel mit 19 Gemeindeverwaltungen und 6 Polizeibezirken da erstmal eine lokale Herausforderung. Was ein Polizist in einer deutschen Kleinstadt feststellt, darf auch gerne ein Fahnder in Südfrankreich wissen. Es zeigt sich ja hin und wieder mal, dass es manchmal solche Zusammenhänge bei kriminellen Aktivitäten gibt. Insbesondere, weil die Grenzen eben nicht dicht sind (und es auch nicht wieder werden sollten).
Datenschutz in die Tonne: Auf keinen Fall! Was mein Arzt/Anwalt/Pfarrer/Therapeut/... über mich weiß, soll auch da bleiben. Und wo ich in der Stadt gerade spazieren gehe, was ich in meiner Wohnung mache, oder in welchen Restaurants ich esse, muss keine Behörde wissen. Und ich will auch nicht, dass das eine Behörde über andere Menschen weiß, die unbescholten sind.
Was nutzt es denn, die Namen und Geburtsdaten aller Menschen in einem Flughafen zu jederzeit zu kennen - via RFC im verpflichtenden Ausweis und Empfängern an allen Türen -, wenn Du dann immer noch nicht weißt, dass einer da etwas mit sich trägt, was er für üble Zwecke braucht?
Auch in einem zu 99.9% überwachten und durchkontrollierten Staat wird es keine absolute Sicherheit geben können. Klar, die Mauer wieder aufbauen ("und diesmal nicht mehr mittendurch, nein, jetzt bau'n wir außenrum", Wise Guys), keine Fußball-Länderspiele oder Musikkonzerte (da kokmmen zu viele Menschen zu sammen, übel), keine Fernreisen (Deutschland ist doch so schön), und schon sind alle deutschen Bürger in Sicherheit? Schöne neue Welt, auf die ich gerne verzichte.
Olaf
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Als Ergänzung dazu nur zwei Kleinigkeiten: Hätten wir mehr Sprengstoffhunde, eine kohärentere Migrationspolitik und nicht (aus dem Kopf, ging kürzlich durch die Presse) 2,7 mio Überstunden bei der Bundespolizei könnte man zumindest tendenziell ohne große Aufgaben von Freiheiten etwas tun, das nicht nur an hektischen Aktionismus erinnert.
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Olaf, Danke für den Beitrag, nur meinen letzen Satz zu zitieren und darauf zu argumentieren, erzeugt einen falschen Zungenschlag.
Wir Bürger werden nicht gefragt ob wir Datenschutz aufgeben wollen. Die Meldepflicht für Mieter bei Wohnungswechsel wurde einfach eingeführt ohne einen Bürger zu fragen (jedenfalls kenne ich keine derartige Frage). An der unsinnigen Flugleiterregelung wird permament festgehalten.
Der Vertrauensschutz bei den erwähnten Berufen, wie Pfarrer, Doktor, Rechtsanwalt, Steuerberater, etc. endet vor Gericht. Dann werden alle Informationen allen beteiligten Parteien zur Kenntnis gegeben.
Freiheit ist ein hohes Gut das es zu verteidigen gilt, ich frage mich nur wie, wann, wo und bei (vor) wem.
Die US-Amerikaner haben eine entsprechende Regelung in ihrer Verfassung und sie berufen sich massiv darauf. Die Auswirkungen kennen wir. Bestimmt nicht erstrebenswert
Persönlich sehe ich hier in diesem unserem Lande keine Aufbruchstimmung in Richtung mehr Freiheit, im Gegenteil.
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Hallo Alfred,
der Schutz medizinischer Daten endet zum Glück eben nicht vor Gericht. Natürlich kann ein Gericht die Herausgabe von Behandlungsunterlagen anordnen. Aus meiner recht langen Erfahrung als medizinischer Sachverständiger in Gerichtsverfahren kann ich aber sicher sagen, dass der Regelfall die Einholung einer Zustimmung des betroffenen Patienten ist. Eine Anordnung der Herausgabe ohne Zustimmung des Patienten gibt es eigentlich nur bei Verfahren gegen den Arzt/das Krankenhaus etc. Natürlich wird ein medizinisches Gerichtsgutachten immer für ein beauftragendes Gericht erstattet und die im Rahmen der Begutachtung erhobenen Befunde dann auch dem Gericht mitgeteilt. Der Begutachtete wird aber darüber aufgeklärt und weiß also, dass in der Begutachtung die Schweigepflicht gegenüber dem Auftraggeber nicht gilt. In einem Gutachten ist außerdem genau aufzuführen, worauf die Beurteilung sich stützt. Dabei ist die Verwertung von im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses erlangten Kenntnissen ohne Zustimmung des Patienten explizit untersagt. Aufgrund des möglichen Interessenkonfliktes ist ohnehin eine Begutachtung eines eigenen Patienten im Regelfall abzulehnen.
Zur Schweigepflicht: nach herrschender Rechtsauffassung gibt es nur bei konkreten Hinweisen auf eine künftige (nicht eine bereits geschehene!) Straftat ein Recht auf Bruch der Schweigepflicht im Rahmen der Rechtsgüterabwägung. In keinem Fall gibt es aber eine Pflicht, die Schweigepflicht zu brechen, auch wenn dies dem Sicherheitsbedürfnis einiger widerstreben mag. Ich halte das für richtig.
Ich gehe mal davon aus, dass es bei anderen Berufsgeheimnisträgern ähnlich ist.
Viele Grüße
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Danke Hofrat für die Klarstellung.
Alfred
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Olaf, Danke für den Beitrag, nur meinen letzen Satz zu zitieren und darauf zu argumentieren, erzeugt einen falschen Zungenschlag.
Alfred, Du hast Recht. Bitte entschuldige. Aus Deinem Posting geht nicht hervor, dass Du diese Vermutung in irgendeiner Form gut hießest. Es war auch nicht meine Absicht, Dich irgendwie anzugehen. Falls das so rüber gekommen sein sollte, bitte ich noch mal um Entschuldigung.
Allerdings bot der Satz eben einen guten Aufhänger für meinen Beitrag. Danke dafür ;-)
Schönen Gruß
Olaf
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Dieser Kommentar
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/sascha-lobo-ueber-is-terror-ueberwachung-ist-die-falsche-antwort-a-1084629.html
bringt die staatlichen/behördlichen Probleme ganz gut auf den Punkt.
Und solange in >25 EU-Staaten >25 Polizeibehörden jede für sich ihre "Überwachung" auf den neuesten Stand bringen, ohne für standardisierten Datenaustausch und geeignete Durchsetzungsressourcen (aka "Polizisten") zu sorgen...
Olaf
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