Stefan: Quasi alle Klapptriebwekler sind "Puller" - Propeller ist vor dem Mast. Ausnahmen ganz wenige.
Da hast Du recht, danke für die Korrektur. (Seit wann Siezen wir uns?)
Selbst wenn Gyros und Trikes Nischenprodukte sind, gibt es dennoch einige wirtschaftlich erfolgreiche Typen. Ich weiß zwar nicht was Deine Definition von wirtschaftlichem Erfolg ist, aber wenn ein Hersteller von seinem Entwurf nachhaltig für mehrere Jahre leben kann, würde ich das schon als erfolgreich bezeichnen. Gleichsam bei den Kitflugzeugen. 5000 verkaufte Pläne bei der BD-5 sind durchaus erfolgreich. Die Lake ist viermal so oft gebaut worden wie die ASH-25, welche ich beide als wirtschaftlich erfolgreiche Flugzeuge bezeichnen würde. Die VariEze und LongEZ haben den Eigenbaumarkt dramatisch gefärbt und für das Überleben eines guten Designers gesorgt. Wo ist das denn nicht wirtschaftlich erfolgreich?
Man muß doch nicht immer gleich "Milliarden" verdienen für wirtschaftlichen Erfolg. 200 gebaute Exemplare sind allerdings oft schon genug, um anzunehmen, daß die Entwicklungskosten des Programms eingespielt wurden.
Und ja, sehr spezifische Gründe für das Design als Pusher bei Einzelstücken sind vollkommen in Ordnung. Was auch sonst? Im Flugzeugdesign wird idR nicht gewürfelt. Die DO29 hat genau das geliefert, was man sich von ihr versprach. Wie soll das denn kein technisch erfolgreiches Projekt gewesen sein? Anders als zum Beispiel der Grob Strato 2C, der die gesteckten Ziele nicht erreichte und dem Programm nicht zum Erfolg verhalf.
Willi: Die Flächen bei der Avanti, so wie bei allen Canard-Flugzeugen, erzeugen alle Auftrieb! Bei der "klassischen" Bauweise erzeugt das Höhenleitwerk dagegen Abtrieb, der - neben dem Gewicht - von den Tragflächen zusätzlich ausgeglichen werden muss.
So einfach ist es leider nicht. Ein Canard muss, um die gleiche flugmechanische Funktion zu erfüllen wie das HLW in Drachenkonfiguration, wesentlich größer ausgelegt werden und ist dennoch höher beladen. Das Canard der Rutan Solitaire zum Beispiel hat ca. 25% der Hauptflügelgröße und fliegt mit einem sehr hohen Auftriebsbeiwert, also viel induziertem Widerstand, trotz der vergleichsweise hohen Streckung. Es gibt ein OSTIV-Paper, in dem man einen Discus als Canard gerechnet hat (In welcher Ausgabe von Technical Soaring weiß ich nicht mehr, müsste ich suchen). Aufgrund der hohen Belastung des Canards verlor dieser ca. 5 Gleitzahlpunkte in der Normalflugpolaren. Die Kreisflugpolare ist aufgrund des hohen notwendigen Auftriebsbeiwerts am Canard noch schlechter. Das zeigt auch die Erfahrung mit der Solitaire. (Der Discus als Three Surface Aircraft gerechnet (wie die Avanti) zeigte in hohen Geschwindigkeiten leichte Vorteile gegenüber der klassischen Drachenkonfiguration.)
Ein weiteres Problem bei den Canards ist die Beeinflussung des Hauptflügels. Man kann bei vielen Canardkonfigurationen (zum Beispiel durch Ölanstrichbilder) nachweisen, daß die hohe aerodynamische Belastung des Canadrs und der damit verbundenen turbulente Nachlauf bei bestimmten Anstellwinkeln den Hauptflügel bereits turbulent anströmen lassen. Zudem ist ein bedeutender Teil des Flügels im Abwindfeld des Canards. Die gehofften Leistungsgewinne durch laminare Anströmung werden damit teilweise aufgehoben.
Vergleicht man die LongEZ und VariEze beispielsweise mit der Lanceair oder Glasair, stellt man fest, daß der Auftrieb des Canard nicht unbedingt zu besseren Leistungen führt. Noch plakativer wird dies bei der VariViggen oder der SpeedCanard.
Ein großes Problem bei den Canards ist das Nickmoment des Hauptflügels. Ändert sich dieses sehr stark über den Anstellwinkel, benötigt der Entwurf eine hohe Pfeilung für einen akzeptablen Schwerpunktsbereich. Das Canard muß dann insbesondere im Langsamflug und im Kurvenflug mit sehr hohen Auftriebskoeffizienten arbeiten. Deshalb ist Rutan ja auch bei der LongEZ zum (doch recht betagten) Eppler 1230-Profil zurückgekehrt, eigentlich ein Profil mit relativ hohem Widerstand gegenüber dem GA(W)-1 der VariEZ. Die neueren Laminarprofile haben aber allesamt ein höheren Nickmomentenbeiwert und damit mehr Trimmwiderstand, was das Flugzeug im Gesamten langsamer und instabiler macht.
Man vernimmt bei der VariEZE übrigens ab und an (je nach Formtreue des Exemplars), daß der Flieger nicht sonderlich gut mit Regen auskommt. Gewisse Profile (zum Beispiel nicht genau genug gebaute VariEZE-Canards) reagieren empfindlich auf Profilstörungen und erreichen somit nicht (oder nur sehr schlecht) den für Langsamflug benötigten Auftriebsbeiwert. Damit erhöht sich natürlich die minimal fliegbare Anflug / Landegeschwindigkeit. Flugzeuge in Drachenkonfiguration sind hier in der Regel wesentlich unempfindlicher.
Idealerweise liefert das HLW im Designflugzustand keinen Auftrieb / Abtrieb, sondern ist weitestgehend neutral. Dies liefert den geringsten Trimmwiderstand
Chris: Soweit mir bekannt ist sollen die Canard-Konstruktionen alle einen Schwachpunkt haben, wenn es um Extremflugzustände geht, also Stall, Trudeln und dem Recovern daraus.
Jain. Es ist keine triviale Aufgabe ein sicheres Canardflugzeug zu bauen. Bei der Auslegung versucht man Schwerpunkt und Einstellwinkel des Canards so auszutarieren, daß das Canard vor dem Hauptflügel überzieht. Überzieht man den Hauptflügel (was in den Versuchsprogrammen zu Canardkonstruktionen nicht selten ist), rennt dei Geschwindigkeit schneller richtung Null als bei einem Flugzeug in Drachenkonfiguration. Jenachdem welcher Teil des Flügels zuerst überzieht ist das dann gut beherrschbar, oder geht in eine Steilspirale über. Das war zum Beispiel bei der Cozy Mk IV der fall in der Auslegung. Hier hatte der Außenflügel einseitig zuerst überzogen und das Ausleiten der Steilspirale hat etwa 3500 ft gekostet. (Behoben wurde das dann durch eine Behinderung der Querströmung auf der Druckseite durch heruntergezogene Winglets).
Viele Canardentwürfe haben ja nicht nur den Vorflügel, sondern auch eine recht große Pfeilung, beide mit eigenen Eingaben zum Überziehverhalten, insbesondere auch bei Regen und Kontamination.
Ist das Canard einmal zuende konstruiert und getestet, verhindert man in der Regel, daß der Hauptflügel überziehen kann. Man limitiert klassischerweise den hinteren Schwerpunkt und den maximalen Vorflügelauftriebsbeiwert.