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11. August 2006 Jan Brill

Infrastruktur: Subventionen in Luebeck


Ryanair-Subventionen: LG Kiel entscheidet gegen Flughafen Lübeck

Pilot und Flugzeug berichtete in der Vergangenheit schon mehrmals über die nach unserer Auffassung unzulässigen, in jedem Fall aber für die Allgemeine Luftfahrt schädlichen Vergünstigungen und Sondervereinbahrungen, mit denen deutsche Regionalflugplätze Billigfluglinien ködern und päppeln. Diese versteckten Subventionen wurden und werden von den Flughäfen stets vehement bestritten, Auskunft zu diesem Thema wird kaum erteilt. In seiner am 28.07.2006 verkündeten Entscheidung hat nun das Landgericht Kiel einer Klage der Air Berlin gegen den Flughafen Lübeck stattgegeben und dabei nicht nur festgestellt, dass entsprechende Vergünstigungen an die Ryanair tatsächlich existieren, sondern es hat diese auch für unbillig erklärt und den Flughafen Lübeck zur detaillierten Auskunftserteilung verurteilt. Unter den Subventionsfürsten der deutschen Flughäfen dürfte nun das große Bibbern einsetzen...

© Flughafen Lübeck 
Konkret ging es in der Sache 14 O Kart. 176/04 vor der Kammer für Handelssachen am Landgericht Kiel um eine Klage der Air Berlin gegen den Flughafen Lübeck.
Air Berlin witterte massive Subventionen des stetig defizitären Flughafens an den Wettbewerber, die irische Ryanair. Der Flughafen Lübeck stritt dies zunächst ab, musste allerdings unter der Last der vorgebrachten Indizien einräumen, dass es neben der Entgeltverordnung aus dem Jahre 2002 eine „Sondervereinbarung“ zwischen dem Flughafen und der Ryanair gab.
Insgesamt knapp 2 Millionen Euro flossen nach Rechnung des Gerichts in den Jahren 2002 und 2003 an die Ryanair. Statt 8 Euro pro Passagier zahlte die Ryanair netto lediglich knapp einen Euro, so die Rechnung der Air Berlin.

Den verschiedenen und vor allem wechselnden Erklärungsversuchen des Flughafens folgte das Landgericht Kiel nicht. Es entschied:

I. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten auf dem Flughafen gemäß der dort geltenden Entgeltordnung vom 01.10.2002 wirksam ab 01.12.2002 erhobenen Entgelte für das Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie die Nutzung von Fluggasteinrichtungen unbillig und damit unverbindlich für die Klägerin sind.

II. Die Beklagte wird verurteilt, ihr Auskunft zu erteilen über die Art, den Umfang, die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2000 bis 2004 von der Beklagten an die Luftverkehrsgesellschaft ) gezahlten Beträge und erbrachten Leistungen in Form von
- "Marketing Support",
- einmaligen Anreizzahlungen für die Aufnahme von neuen Flugverbindungen,
- Bereitstellung/Gewährung von bevorzugten Leistun- gen/Diensten im
Zusammenhang mit der Flugdurchführung/- abfertigung und Abwicklung, Verkauf, Administration, Nutzung von Flughafeneinrichtungen,
- Beteiligungen an Kosten für
- Anschaffung von Ausstattung,
- Hotel und Verpflegung für das Personal von - Einstellung und Ausbildung der Piloten und Besatzungen von,
- weitere Ermäßigungen der regulären Flughafenentgelte gegenüber der Entgeltordnung der Beklagten vom 01.10.2002 und
- sonstigen Zahlungen oder Leistungen ohne angemessene Gegenleistung, die aufgrund eines Individualvertrages mit der Fluggesellschaft entrichtet bzw. erbracht worden sind.



Über weitere Aspekte der Klage – insbesondere die resultierenden Unterlassungsklagen – kann erst nach der zu II angeordneten Auskunftserteilung entschieden werden, das Verfahren geht also weiter.

In der Begründung zu dieser Entscheidung trifft das Gericht einige wichtige Feststellungen, die auch von diesem Magazin seit langem vertreten werden.

Zitat:

Die Beklagte hat allen privaten und gewerbsmäßigen Luftfahrern, die hierfür erforderlichen öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zur Benutzung des Luftraumes erfüllen, die Benutzung der Flughafeneinrichtungen zu gestatten (BGH NJW 1999, 2378 f.). Die Beklagte dient auch als Privatrechtssubjekt wie ein beliehener Unternehmer einer öffentlichen Aufgabe.
Die Beklagte dient auch als Privatrechtssubjekt wie ein beliehener Unternehmer einer öffentlichen Aufgabe.


Diesen Satz werden viele Flughafenbetreiber nur höchst ungern zur Kenntnis nehmen. Flughäfen wie Altenburg-Nobitz, die minimalen Linienflugverkehr auf kosten restlichen Flugplatznutzer und zu lasten der öffentlichen Hand päppeln, können sich warm anziehen.

Rational zu erklären ist die Airline-Itis an vielen deutschen Regionalflugplätzen ohnehin nicht. Kaum ein Flugplatz, der fernab von Kunden und Wirtschaft vom Linienflugverkehr träumt erzielt jemals einen wirtschaftlichen Erfolg. Zu leiden hat die Allgemeine Luftfahrt, die durch diesen Größenwahn wichtige und unersetzliche Verkehrsanlagen verliert, bzw. die Zeche für die Fehlentscheidungen der Flugplatzbetreiber zahlen muß.

Stetige Verluste

So sprechen denn auch die dem Gericht vorgelegten Zahlen für Lübeck eine eindeutige Sprache. Entgegen den üblichen Beteuerungen Linienflug-begeisterter Lokalpolitiker stieg mit wachsenden Passagierzahlen nur eines: Der Verlust:

1999: 58.522 Passagiere / Verlust: € 745.611,42

2000: 142.586 Passagiere / Verlust: € 999.474,87

2001: 192.726 Passagiere / Verlust: € 2.174.983,58

2002: 244.684 Passagiere / Verlust: € 2.493.688,10

2003: 514.684 Passagiere / Verlust: € 3.555.554,90

2004: 578.399 Passagiere / Verlust: € 3.476.809,16


Nerven liegen blank

So scheinen denn auch die Nerven am Flughafen blank zu liegen. Kurz nachdem Pilot und Flugzeug Redakteur Hans Joachim Adomatis in seinem viel beachteten Artikel „Teure Flops: Flugplatz-Subventionen gefährden zukunftsfähige Landeplätze“ (Ausgabe 2006/07 s. 82 ff.) den Flughafen Lübeck als Investitionsruine bezeichnete kündigte die Betreibergesellschaft postwendend das Abonnement. Als ob sich dadurch etwas an der Berichterstattung, oder gar an der traurigen Wahrheit ändern ließe...

Tatsache bleibt, dass an deutschen Flughäfen zig Millionen Euro in rechtswidrige, geheime und höchst schädliche Subventionen an Billigfluglinien versenkt werden. Diese „Subventionen“ führen nirgends zu einer selbsttragenden Wirtschaftstätigkeit, sie verpuffen und gehen auf in künstlich niedrigen Spaß-Tickets, mit denen man angeblich für 19 Euro durch halb Europa fliegen kann.

Die Zeche zahlt der Rest der Luftfahrt. Die Verbände der AL haben bislang nichts dagegen getan. Die offen diskriminierende Gebührenpraxis an Flughäfen wie Hahn oder Altenburg wurde von den Interessensvertreten der Allgemeinen Luftfahrt bisher toleriert.
Nun scheint es ein wirtschaftlich und rational denkender Mitbewerber aus dem Feld der deutschen Fluglinien zu sein, dem der Kragen geplatzt ist, und der die Gebührenmauschelei einer gerichtlichen Klärung zuführt.


Mitgewirkt an diesem Artikel hat die Kanzlei Dr. Janssen & Kollegen, Hannover Kontakt: kanzlei@janssen-rechtsanwaelte.de


  
 
 




12. August 2006: Von Max Sutter an Jan Brill
Sehr geehrter Herr Brill,

Was warten Sie denn auf die Verbände? Eine Landung mit Ihrer Twin Comanche auf so einem Subventionsairport, unter Vorbehalt das Zwanzigfache bezahlt wie die Ryanair mit einer B737, geklagt und gewonnen - das wäre doch was, oder nicht? Wenn der Streitwert sich nach der Landegebühr der Ryanair bemisst, dann wird das Risiko für die Portokasse von PuF gering.

Mich wundert ohnehin, dass der Wettbewerbskommissar der EU nicht schon lange einen Schlag ins Kontor getan hat bei diesen Unverschämtheiten der Billigflieger und der Kuscherei der ich-will-auch-mal-groß-werden-Provinzflughäfen. Normalerweise spielt man in Brüssel den Puristen des freien Wettbewerbs, aber bei Lichte betrachtet scheint man eher die Maxime zu hegen "Hauptsache billig für den Konsumenten!" Wie das zu Stande kommt, ist denen offenbar egal.

Zum Gruße

Max Sutter
17. August 2006: Von Heiko Lampert an Max Sutter
Nu ja,

man könnte den Bogen auch weiter spannen. Wenn dem Steuerzahler schon das Geld aus der Tasche gezogen wird, dann kann er wenigstens sich über Billigtickets einen (sicherlich viel zu geringen Anteil) wiederholen.
Ich würde daher weniger die Passagiere verantwortlich machen.

Bei dieser in Gang gesetzten Spirale gewinnen natürlich die, die Sie anprangern. Gebührenkassierer, Subventionsbetrüger und Billigflieger mit ihren Margen, welche sich den anderen (vergeudeten) Teil der Steuern teilen.

Was zurecht nervt, ist dsa Gefühl der Wehrlosigkeit, die man als Privatpilot gegen diese Maschinerie empfindet. Denn, Hand auf's Herz, wer als Berufstätiger oder auch Journalist will einen Großteil seiner Freizeit in nervigen und langwierigen Gerichtsprozessen investieren.

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