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27. Juli 2006 Jan Brill

Luftrecht: Haftung und Privatisierung


Kommentar: Die Flugsicherung ist eine hoheitliche Aufgabe – auch wenn die Bundesrepublik das nicht wahrhaben will

Es gibt hoheitliche Aufgaben, die macht sich unser Staat gern zu eigen: Das Gewaltmonopol, die Möglichkeit die Bürger auszuspionieren oder die Besteuerung derselben. Und dann gibt es Aufgaben, vor denen er sich drückt. Die Flugsicherung ist ein Beispiel. Jetzt haben die Bemühungen des Bundes, die Flugsicherung langsam und allmählich von sich zu schieben durch den Richterspruch des Landgerichts Konstanz einen Rückschlag erhalten. Die Privatisierung und ganz besonders die Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung stehen auf juristisch wackeligem Grund.

Konkret urteilten die Richter, dass die Bundesrepublik selbstverständlich für die katastrophalen Fehler der Schweizer Skyguide bei der Midair-Collision von Überlingen finanziell haftet. Im Sommer 2002 waren zwei Verkehrsflugzeuge über Süddeutschland zusammengestoßen. 71 Menschen kamen dabei ums Leben. Pilot und Flugzeug berichtete im Mai 2004 im Internet über die Ergebnisse der Flugunfalluntersuchung.

Niemanden mit ein wenig Einblick in das nationale und internationale Haftungsrecht kann die Entscheidung der Konstanzer Richter überraschen. Schließlich ist die Luftfahrtverwaltung, und damit auch die Flugsicherung eine der ureigensten hoheitlichen Aufgaben des Bundes. Dass der Bund sich entschlossen hat, diese Aufgabe in Süddeutschland an ein Schweizer Unternehmen zu delegieren, ist sozusagen „sein Problem“.
Wie jeder Bauunternehmer, wie jeder Reiseveranstalter haftet der Bund für die Folgen seiner Entscheidungen und kann sich nicht einfach hinter einer Privatfirma verstecken.

Verstoß gegen das Grundgesetz

Das Urteil geht aber noch weiter. Es äußert allgemein Zweifel, ob die Delegierung dieser hoheitlichen Aufgabe an ein privates Unternehmen rechtens sei.
Insbesondere habe sich der Bund durch die Abtretung an eine ausländische Privatfirma jeglicher Einflussmöglichkeit beraubt. Nicht ohne Befremden nahmen die Richter diese offen rechtswidrige Praxis zur Kenntnis. Die Übertragung der Flugsicherung an Skyguide sei mangels gültiger Verträge rechtswidrig. Zudem verstoße dies gegen das Grundgesetz, das besage, dass die Luftverkehrsverwaltung in der Hand des Bundes liegen müsse. Ich sehe darin ein weiteres Zeichen für die bescheidene Rechtskultur im wenig verstandenen Spezialgebiet Luftfahrt und zweifellos einen herben Rückschlag für die angestrebte Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS).
Denn der Bund braucht Geld und verscherbelt das Tafelsilber: die Deutsche Flugsicherung, momentan zu 100% im Bundesbesitz, und Quelle eines nimmer versiegenden Gebührenstroms, soll verkauft werden. Damit hätte die Bundesrepublik keinerlei direkten Einfluss mehr auf die Handlungen der Flugsicherung. Die Haftung für deren Fehler ist sie damit aber auch nicht los.

Flugsicherung ist keine Aufgabe die sich zur Privatisierung eignet

Dieses Magazin vertritt schon seit langem die Auffassung, dass man die hoheitliche Aufgabe der Luftverkehrsverwaltung nicht wie einen Straßenbauauftrag an irgendein inländisches oder ausländisches Unternehmen vergeben kann. Das wäre so als ob man die Polizei einer Stadt an einen privaten Sicherheitsdienst delegiert.

Die Nachteile einer Privatisierung überwiegen die Vorteile bei weitem. In einer privaten ATC-Organisation werden unweigerlich die unternehmerischen Prioritäten durch die Einkommensstruktur bestimmt. Die Verkehrsluftfahrt wird stärker noch als bisher in einer Kapitalprivatisierten DFS den Ton angeben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Eine Flugsicherung im Besitz beispielsweise der Lufthansa wäre so, als ob man dem Bundesverband für Güterkraftverkehr die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen übertragen würde. Prima sicher für die Brummies, aber ein LKW-Überholverbot würde es schon bald nirgendwo mehr geben...

Eine Privatisierung kann nur dann Vorteile bringen, wenn das privatwirtschaftliche Unternehmen in Konkurrenz zu anderen Firmen steht. Genau das ist aber bei der Flugsicherung nicht der Fall (bis auf wenige Ausnahmen bei den Towerlotsen).
Stattdessen verliert der Staat massiv an Einfluss auf den ATC-Provider und eine demokratische Kontrolle bei der Ausübung dieser hoheitlichen Aufgabe findet gar nicht mehr statt.

Sofern die Bundesrepublik nun das erstinstanzlich ergangene Urteil durch die Instanzen kämpft, besteht die Möglichkeit, dass diese Auffassung auch bald von höchstrichterlicher Stelle in Karlsruhe bestätigt wird.


  
 
 




27. Juli 2006: Von Willi Erkens an Jan Brill
Verfassungsrechtlich nimmt die DFS GmbH als Beliehene die luftverkehrspolizeilichen Aufgaben des Bundes wahr.Die Beleihung ist der eine Knackpunkt, die hoheitliche Aufgabe des Bundes der Andere. Wenn also ein Dritter die Aufgaben wahrnehmen soll, bedarf es eines hoheitlichen Aktes des Bundes, der die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht schmälert. Dann wäre die Aufgabenwahrnehmung durch Dritte erstmal rechtens. Dennoch bliebe die Staatshaftung erhalten, weil halt die luftverkerspolizeiliche Aufgabe eine Hoheitliche ist. Der Regress wäre vom Bund mit dem Beliehenen (öffentlich-rechtlich) vertraglich zu regeln. Dem Geschädigten bliebe dabei aber der Bund als verfassungsrechtlicher öffentlicher Aufgabenträger schadenersatzpflichtig, der sich seinerseits nur (nachträglich) selbst an dem versagenden Beliehenen schadlos halten dürfte. Ich bin im Übrigen auch auf Urteilsbegründung und Instanzen gespannt, weil auch Fragen der Luftsicherheit über die Betriebsabwicklung hinaus berührt sein könnten (LuftSiG)
27. Juli 2006: Von  an Willi Erkens
Hallo,

absolut korrekte Zusammenfassung der Situation!
Die Bundesrepublik kann maximal gegenüber dem Beliehenen, also der DFS in Rückgriff gehen, also Regressansprüche geltend machen.

Grüße,
TS
28. Juli 2006: Von Alexander Bubenik an Jan Brill
Die Verwaltung des "Allgemeinen Gutes" Luftraum muss aus Gründen der Gleichbehandlung, Unabhängigkeit, Einheitlichkeit des Vollzugs einschließlich der Verantwortung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit - eine rein staatliche Aufgabe bleiben.

Zwei Hauptkritikpunkte gegen eine Privatisierung sind aus meiner Sicht anzuführen:

I. Fragliche Neutralität
Ich halte es quasi für ausgeschlossen, dass Kriterien geschaffen werden können, die die Unabhängigkeit und Freiheit von Interessenkonflikten sicherstellen.

Neutralität, absolute Unabhängigkeit und Freiheit von Interessenkonflikten ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Wahrnehmung hoheitlicher Überwachungs- und Lenkungsaufgaben. Nach meiner Ansicht sind erhebliche Zweifel anzumelden, ob eine entsprechende Unabhängigkeit privater ATC-Dienstleister in der Praxis zu gewährleisten ist. Man denke nur an Stichworte wie Luftraumgestaltung, Kapazitätsallokation etc. und die Nutzung oder Benutzung von Ermessensspielräumen in Zweifelsfragen.

II. Schein-Privatisierung
Aufgrund der Tatsache, dass mit einer Privatisierung in erster Linie Verwaltungsabbau und Kosteneinsparung angestrebt werden, muss befürchtet werden, dass im Zuge dieser auch eine Überwälzung von Kosten für Überwachungstätigkeiten stattfindet, welche eigentlich aus dem Steueraufkommen zu bestreiten wären.

Welche Blüten eine (schein) privatisierte Flugsicherung hervorbringt, kann man zur Zeit in Kanada beobachten (ich empfehle hier u. a. die Lektüre der homepage der US-AOPA). Ein echter Wettbewerb findet nicht statt. Damit unterbleibt der Zwang zur Kostendisziplin und im Zweifel werden die Luftraumnutzer quasi gesetzlich dazu verpflichtet zur Gewinnsteigerung des Flugsicherungsunternehmens beizutragen.

Erhält darüber hinaus noch eine Partei einen erheblichen Einfluss auf die Institution "Flugsicherung", gegenüber der die Flugsicherung Neutralität (wie gegenüber jedermann) zu wahren hat, so wird aus einem Intressenkonflikt vermutlich eine Intressenvertretung zu Gunsten ...... vermutlich eine Frage, die dann hoffentlich das Kartellamt auf den Plan rufen wird.

Profaxel
15. Oktober 2006: Von Maurice Konrad an Jan Brill
Hallo Herr Brill,
langsam merken es auch andere....
###-MYBR-###https://www.n-tv.de/721085.html

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